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Forscher ergründen den Heimvorteil beim Fußball
Was den Heimvorteil beim Fußball bringt, haben Psychologen und Mediziner untersucht: Entscheidend ist wohl der "zwölfte Mann", das Publikum. Es fördert psychologisch und hormonell die Erfolgschancen.
Als letzter hat es Frankreich 1998 geschafft, Deutschland 1974 schon einmal - warum also sollte die deutsche Nationalelf nicht auch die nächste Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land gewinnen? Umfragen zufolge sind viele Fans und Experten zwar vor der WM-Endrunde vom 9. Juni bis zum 9. Juli skeptisch.
Psychologen und Mediziner haben aber gute Gründe gefunden, die Erfolge der Gastgeber begünstigen: Laut ihren Studien gibt es einen unbestreitbaren Heimvorteil.
Heimvorteil: Die Statistik spricht dafür
Bei den bislang 17 Fußball-WMs holten sich vom ersten Ausrichterland Uruguay 1930 bis Frankreich 1998 immerhin sechs Gastgeber den Pokal.
In fünf weiteren Fällen gaben sich die Ausrichter erst im Endspiel geschlagen oder schafften es zumindest bis ins Halbfinale.
Nach einer Studie des Weltverbands FIFA gingen bei mehr als 6.500 hochkarätigen internationalen Fußballspielen in der Hälfte der Fälle die Gastgeber als Sieger vom Platz, Auswärtssiege und Unentschieden machten jeweils ein Viertel aus.
Der "zwölfte Mann" wirkt entscheidend ...
Bei der Ursachenforschung stoßen die Experten immer wieder auf den "zwölften Mann": das Publikum.
Psychologen und Soziologen sind einig über die Wirkung, die Anfeuerungsrufe aus Zehntausenden Kehlen haben können - aufputschend für müde Kicker einer Heimmannschaft, einschüchternd für Elfmeterschützen, Verteidiger oder Torhüter des gegnerischen Teams.
... auch auf den Schiedsrichter
Auch Schiedsrichter lassen sich davon beeindrucken, wie Sportpsychologe Alan Nevill von der britischen Universität Wolverhampton zeigte.
Er setzte Unparteiischen Videoaufzeichnungen von 47 Aktionen vor, in denen Fußballer Gegenspieler per Tackling vom Ball trennten. Anschließend sollten sie urteilen, ob es sich um Fouls handelte oder nicht. Die "Tatsachenentscheidung" des Schiris vor Ort wurde nicht gezeigt.
Nur ein Teil der Schiedsrichter hörte den Original-Ton mit der Reaktion des Publikums. Bei ihnen stieg die Wahrscheinlichkeit um 15 Prozent, Fouls der Heimmannschaft nicht zu pfeifen - nebenbei ziemlich genau der Prozentsatz, der wirklich bei den Spielen zu beobachten war.
Gruppendruck treffe selbst erfahrene Unparteiische, glaubt Nevill: "Um den Rücken frei zu haben, lassen sie weiterspielen."
Schlachtengesänge bringen das Blut in Wallung
Bei den Spielern der Heimmannschaften bringen die Schlachtengesänge der Fans zudem das Blut in Wallung: So belegten Nick Neave und Sandy Wolfson vor der nordenglischen Universität Northumbria mit Speicheltests, dass der Anteil des Sexualhormons Testosteron bei jungen Kickern vor wichtigen Heimspielen anstieg - im Vergleich zu Trainingseinheiten, aber auch zu Auswärtsspielen.
"Testosteron ist bei Tieren mit Dominanz und mit Aggression verbunden", erklärte Neave im Wissenschaftsblatt "New Scientist". Er glaubt an eine Art Revierverhalten: "Wenn du zu Hause spielst, verteidigst du dein Territorium." Vor allem bei den Torwarten, die ja ihren Kasten verteidigen müssen, sei der Testosteron-Anstieg "unglaublich".
Heimvorteil dürfte "Heim-Nachteil" überlegen sein
Manche Forscher sehen zwar auch eine Art Heim-Nachteil: So könnten Gruppendruck und wild gewordene Hormone Fußballer dazu bringen, unnötige Risiken einzugehen, überhart zu spielen oder selbst verletzt zu werden. Einige könnten zudem in eine Art Größenwahn verfallen.
Insgesamt dürfte der Heimvorteil aber überwiegen. Bill Shankly, 1959 bis 1974 legendärer Manager des britischen Spitzenteams Liverpool FC, setzte ihn gar zu eine Art psychologischer Kriegsführung ein: Im Tunnel, der die Spieler von den Kabinen auf den Rasen des Stadions an der Anfield Road führt, brachte er ein Schild mit der beeindruckenden Aufschrift "This is Anfield" an. "Damit unsere Jungs wissen, für wen sie spielen - und die Gegner, mit wem sie es zu tun haben."
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4 Vorwärts 2gether!!!